Hans Clauert's Lügenmärchen oder: Wie man die Kinder vom Schlaf ermuntert und wacker macht. Hans Clauert pflegte oftmals von sich selber zu sagen: "Als ich ein kleines Kindlein war und oftmals sah, dass unsere Nachbarskinder aus dem Holze kamen und junge Vöglein nach Haus brachten, die sie aus den Nestern genommen hatten; gedacht' ich auch einmal in den Wald zu gehen und Vogelnester zu suchen. Da ich aber in den Wald kam, sah ich ein kleines Vögelein aus einem Baum fliehen. Ich ging hinzu; da fand ich ein so kleines Löchlein, dass ich kaum einen Finger hineinbringen mochte, und als ich den Finger hineinsteckte, fiel ich mit dem ganzen Leib in den Baum hinab. Darunter fand ich einen Teich, darein gebratene Fische gingen, und über dem Teiche war ein Butterberg, davon die Butter durch den warmen Sonnenschein herab auf die gebratenen Fische troff. Derselben Fische aß ich mich so satt, dass ich aus dem Baume nicht wieder kommen konnte, lief derhalben heim, holte eine Barte und hieb mich aus dem Baum heraus. Doch war mir's leid, dass ich der gebratenen Fisch' nicht etliche mit mir genommen, davon ich hätt' rühmen mögen. Da aber trug sich's zu, dass am Wege ein großer Haufen Tauben saß; darunter warf ich, dass die Federn so dick blieben liegen, dass ich meine Barte nicht wiederfinden konnte. Ich lief eilends nach Haus, holte Feuer und zündete die Federn an; da verbrannte die Barte, und der Stiel blieb liegen. Weil ich also zu meinen Eltern nicht wieder kommen durfte, begab ich mich auf die Wanderschaft und kam zu einem Brunnen. Da hätte ich gerne getrunken, wusste doch nicht, worin ich Wasser schöpfen sollte; weil mir aber als einem gar jungen und kleinen Kinde die Hirnschalen noch nicht recht zusammengewachsen waren, nahm ich den halben Teil derselben vom Kopf herab, schöpfte Wasser darein und trank daraus. Es schmeckte mir auch das Wasser so wohl, dass ich darüber entschlief; und da ich erwachte, war es fast Abend worden. Dessen erschrak ich sehr, lief ganz unbesonnen davon und kam in ein Dorf. Da drosch ein Bauer die Erbsen auf dem Balken, und das Stroh fiel herab, die Erbsen aber blieben auf dem Balken liegen. Dessen verwunderte ich mich sehr und fragte den Bauern, wie solches käme, dass die Erbsen auf dem Balken blieben; worauf er mich fragte, wie ich mit dem halben Kopfe daher käme. Da gedacht' ich erst an meine Hirnschale, lief alsbald zurück, fand sie auch und sieben Enteneier darin. Dieselben legte ich unter eine Henne und ließ sie ausbrüten; da ward ein Pferd daraus, sieben Meilen lang. Mit demselben verdiente ich viel Geld; denn wenn die Leute über Land reisen wollten und am Kopf aufsaßen, und das Pferd sich nur umwandte, so waren sie vierzehn Meilen weg. Einstmals hatte ich etliche vom Adel gedingt, die gern eilends wären an ihren bestimmten Ort gewesen; und als sie fast hin waren, trug sich mit dem Pferde, welches sehr gut zu verdauen pflegte, was zu, es wandte sich darnach um und brachte die Edelleute noch eins so weit zurück, als wo sie zuvor sich aufgesetzt hatten, derhalben sie vor Zorn mein Pferd mitten entzwei hauen täten. Dem wusste ich nicht besser zu helfen, als dass ich Weiden nahm und band das Pferd damit wieder zusammen. Die Weiden zogen in dem Pferde Wurzeln und wuchsen so sehr, dass ein ganzer Wald auf dem Pferde ward, dass auch die, so darauf ritten, Sommerzeit in kühlem Schatten saßen, wodurch mir das Pferd hernach viel mehr erwarb als zuvor; und gegen den Winter ließ ich die Weiden alljährlich verhauen und kaufte aus demselben Holze so viel Geld, dass ich auf den heutigen Tag noch einen Zehrpfennig habe. Sonst wäre ich längst zum Bettler worden." Das war er nämlich.