Wie Clauert an seiner Statt den Kerkermeister gefangenleget Nach dem großen Brandschaden zu Trebbin, der Anno 65 geschah, war den Bürgern von ihrem Landesfürsten und Herrn, dem Kurfürsten zu Brandenburg, vergönnet, auf der Zoss'nischen Heiden etliche Schock Stücke Bauholz zu hauen, weil zur Erbauung der Stadt auf der Trebbinischen Heiden nicht genugsam Holz zu finden war. Da nun ein jeder seine Anzahl gefället, waren ihrer viel, die Armuts wegen das Holz von der Heiden nicht zu Haus schaffen konnten, daß also viel daselbst verfaulet. Darüber Eustachius von Schlieben, Hauptmann zu Zossen, sehr zornig ward, schwur und sagte, den nächsten, so von Trebbin käme und ihn um Holz ansprechen würde, wollt er lassen ins Gefängnis werfen. Solches ward dem Rat zu Trebbin angesagt, die sich wohl fürchteten, was der Hauptmann geschworen hatte, das würde er gewißlich halten. Wußten derhalben nicht, wen sie doch wohl zu dem Hauptmann abfertigen möchten, der Gunst bei ihm hätte, weil die Stadt noch unerbaut war, bis endlichen das Los auf Clauert fiel, der bei dem Hauptmann angenehm war. Denselben schickten sie, verhießen ihm wohl doppelten Lohn und die freie Zehrung, daß er dem Hauptmann einen Brief gen Zossen bringen sollte. Clauert gedachte nicht, daß die Sache so gar gefährlich wäre, ließ sich den Botenlohn gefallen und nahm den Brief an. Da er nun gen Zossen kam und das Schreiben überantwortet hatte, sagte der Hauptmann zu ihm: "Du loser Hurensohn, mußt du eben der erste sein, der zu mir kommt, um Holz zu werben. Nun wohlan, ich habe geschworen, das muß ich halten." Und sagt zu dem Wächter: "Geh her und führe mir diesen in den Turm hinauf." Unangesehen, daß Clauert sonsten daselbst gar wohl gehöret war. – Denn auf dem Schlosse zu Zossen hält man stets zween Wächter, die des Tags auch Wasser in die Küchen tragen und die Gefangenen verwahren müssen. Der Wächter tat nach des Hauptmanns Befehl und führet, Clauert zu dem Turm, der sehr hoch ist und dazumal nur auswendig zwo Leitern hatte, darauf man hinaufsteigen mußte, daß es auch wohl hinaufzusteigen gefährlich war. Clauert stellet sich als ein Gehorsamer, ging bis zu den beiden Leitern und sagt zu dem Wächter: "Lieber Peter, steige du voran, so will ich dir folgen, und zeige mir doch, wo ich zum Turm hineingehen soll, daß ich nicht hinabfalle, denn ich mich gar wenig mit dem Gesichte behelfen kann, und wie ich gehöret habe, soll oben im Turm ein Loch sein, da man die Übeltäter hinunterläßt." Da er doch die Gelegenheit besser wußte, als man ihm hätte sagen mögen. Der Wächter glaubte seinen einfältigen Worten, stieg vor ihm hinauf, bis er in die Tür kam, und sagte: "Hans, hieher folgt mir, hieher, wo ich gehen werde!" Unterdes ergreift Clauert die Tür und schlug sie hinter dem Wächter zu, achtet seines Geschreies nicht, stieg herab und ließ seinen Kerkermeister sitzen. Weil es aber um die Zeit war, daß man zu Abend essen wollte, setzet sich Clauert zu des Hauptmanns Knechten, schwieg still und gedachte die Mahlzeit zu vollbringen. Das Gesinde aber konnte das Lachen nicht verhalten. Darüber die Hauptmannsfrau dahin zu schauen verursacht ward, und da sie Clauert siehet sitzen, spricht sie zum Hauptmann: "Junker, habt Ihr Clauert lassen gefangenlegen?" Er sagte: "Ja, mich wundert, was der Schalk gedenken wird." Die Frau sagte: "Sitzet doch Clauert beim Gesinde überm Tisch." Der Hauptmann drehet sich mit seinem Stuhl herum, darin er vorm Tische saß, und sprach: "Siehe, Clauert, was machst du hie? Hab ich dich nit lassen in den Turm stecken?" Clauert antwortet: "Ach ja, Herr Hauptmann, aber ich habe einen andern an meine Statt gebracht, der will so lang für mich sitzen, bis ich gegessen habe, denn das Abendmahl war bereitet, und ich habe den Tag nicht viel gessen, derhalben ich auf Wege gedenken mußte, wie ich zur Mahlzeit käme." Der von Schlieben sagte: "Ich dürfte wetten, Er hätt mir den Wächter eingesperret?" Dem Clauert antwortet: "Ja, Herr Hauptmann, ich habe sonsten keinen nahem finden können, der mir diesen Dienst bestellen wollte." Der Hauptmann sprach zu seiner Hausmutter: "Catharina, das kann nicht ungestraft bleiben, ich will ihn dir übergeben." Die Hauptmannsfrau fordert Clauert an ihren Tisch und ließ eine kupferne Kandel voll Wein herauf bringen, welche Clauert zur Strafe austrinken sollte. Clauert sagte: "Ach, Frau, solche Strafe wollt ich alle Tag leiden." Der Wächter aber mußte an Clauerts Statt zween Tage und zwo Nacht im Turm liegen.