Wie Clauert von einer Magd betrogen ward Wenn Clauert so viel Geld verdient oder bisweilen geborgt hatte, daß er etliche Haupt Vieh bezahlen konnte, so blieb er nicht gern zu Hause, sondern zog seinem Handel nach, Vieh zu kaufen, und es dann auf die vornehmsten Jahrmärkte, wo er es zum Vorteil einzulösen wußte. So kam er denn auch an einem Tag im August mit Vieh gen Zerbst. Nachdem er es gut verkauft, auch einen guten Rausch vom Zerbster Bier zu sich genommen hatte und über den Gewinn, den er an dem Vieh gehabt, sehr fröhlich war, begann ihn der Kitzel zu stechen, er vergaß seine alte Margreta, gedachte des Sprichworts "Abwechslung macht Freude", ging hin zu des Wirtes Mags, vermeinte sie gar höflich anzusprechen und sagte: Junges Mensch, wollt ihr mich nicht einmal auf eurem Hemde knien lassen, ihr sollt eine Tasche im Werte von einem halben Taler zum Lohn bekommen." Die Magd bedachte sich bald und sagte: "Wenn ihr den Jahrmarkt bringen werdet, so kann es vielleicht geschehen." Clauert ging hin und kaufte die Tasche und fragte noch einmal, ob seine Bitte gewährt sein solle, worauf die Magd, als sie den Jahrmarkt sah, antwortete: "Ja, wenn mein Herr und meine Frau schlafen gegangen sind, dann will ich euch wohl rufen." Clauert war über die Antwort sehr froh, ließ sich Bier auftragen und gedachte, die Stunde mit Freuden zu erwarten. Da nun der Wirt, die Frau und alle anderen Gäste im Haus zu Bette waren, zog Clauert die Tasche hervor und gab sie der Magd mit der freundlichen Bitte, sie möge ihm halten, was sie zugesagt hatte. Die Magd nahm Clauert bei der Hand und führte ihn ohne Licht im Finstern mit sich auf den Boden, mit der Ermahnung, daß er ja still sein und nicht weitergehen solle, als sie ihn führen würde, damit ihre Herrschaften es nicht hörten. Clauert folgte also der Magd in aller Furcht bis vor ihre Schlafkammer, dort hieß sie ihn still stehen, sie wollte erforschen, ob ihr Herr und ihre Frau auch eingeschlafen wären, damit sie beide nicht ins Unglück kämen. Das gefiel Clauert wohl, und während er also wartete, zog die Magd ihre Kleider aus, nahm zuletzt das Hemd , warf es Clauert vor die Kammertür hinaus und sprach: "Da habt ihr mein Hemd nach eurer Bitte, darauf mögt ihr nun knien, so lange es euch gefallen wird", und schloß damit ihre Kammer zu. In welchen großen Nöten Hans Clauert nun dastand, kann jeder wohl ermessen, zumal er das Haus oben nicht kannte und sich sorgen mußte, daß er herabfallen und den Hals brechen oder auch wohl vor des Wirtes Kammer geraten könnte, der ihn vielleicht übel empfangen würde. In solcher Furcht und Gefahr kroch er fast die halbe Nacht auf allen Vieren von einem Winkel zum anderen, ehe er die Treppe finden und ein Lager erreichen konnte, daß ihm vor Kälte die Zähne im Munde klapperten und er außerdem seine Tasche aufs Spiel setzen mußte, was ihn jedoch nicht so gereute, als daß er von einer Magd betrogen worden war. Deshalb machte er sich gar früh auf und wollte den Tag dort nicht erwarten.